»Ein Schankwirt aus was weiß ich welcher Stadt soll den Mann, dem Ihr ihn anvertraut hattet, einen gewissen Pelzhändler aus Bourges, haben sagen hören, daß er den Diamanten bei dem Juden Abrabanel in Beaucaire verpfänden würde. In der Hoffnung auf eine gute Belohnung ist der Schankwirt zum Großkämmerer gegangen und hat ihm davon berichtet. Von da an war die Sache leicht …«
»Er hat Maître Coeur töten lassen?« rief Cathérine schmerzerfüllt aus.
»Aber nein! Euer Mann hatte sein Geld schon erhalten und das Weite gesucht. Der Jude besaß den Diamanten. Er wollte ihn den Sendboten meines Vetters nicht aushändigen … und ist dabei gestorben!«
Cathérine stieß einen entsetzten Schrei aus, der in ein Gelächter überging, das gleichermaßen schmerzlich und ironisch war.
»Der Tod! … Wieder der Tod! Und Ihr wollt diesen verfluchten Stein! Denn er ist verflucht! Er bringt Unglück und Blut über die, die ihn besitzen, oder sie sterben ganz einfach daran! Und ich hoffe, daß es mit Eurem schönen Vetter ebenso gehen wird. Wenn Ihr diesen Diamanten haben wollt, der direkt aus der Hölle kommt, braucht Ihr ihn nur zu nehmen!«
Im höchsten Grade erbittert, erhob sich ihre Stimme zum Kreischen, aber schon hatte Gilles sie brutal gepackt und preßte erbarmungslos ihre Schultern, während das von Zorn und Furcht verzerrte Gesicht sich dem ihren näherte.
»Ich habe weniger Angst vor Satan als vor deiner Zauberei, verfluchte Hexe! Und du hast keine Wahl. Morgen wirst du La Trémoille ausgeliefert. Entweder stiehlst du mir den Diamanten, oder du wirst in der Folter sterben und deine Zigeunerin mit dir! Hier bist du nichts als eine Vagabundin ohne Bedeutung, die man nach Belieben verschwinden lassen kann. Die guten Bürger der Stadt sind nie so glücklich, als wenn sie die Leiche eines deiner Brüder am Galgen baumeln sehen!«
»Dann wird man mir die Zunge herausschneiden müssen!« erwiderte Cathérine eiskalt. »Denn in der Folter werde ich sprechen, werde sagen, wer ich bin und warum Ihr mich hierhergeschleppt habt. Auf jeden Fall«, schloß sie bitter, »werde ich umkommen. Ihr werdet mich hier nicht lebend herauslassen. Ich habe also kein Interesse, für Euch diesen Stein zu stehlen!«
»Doch! Gegen den Stein ist dein Leben gerettet! Nachts mußt du zu Werke gehen. La Trémoille bewohnt diesen Turm hier. Wenn du den Diamanten hast, brauchst du ihn mir nur zu bringen, und ich werde dich ungesehen hinausschaffen. Es bleibt dir überlassen, dafür zu sorgen, daß dein Stamm so schnell wie möglich das Lager abbricht, denn euer Wohl wird von der Geschwindigkeit eurer Beine abhängen. Der Rest der Nacht wird Euch zur Flucht bleiben … denn, wohlverstanden, du wirst angeklagt werden und die Deinen mit dir!«
»Die Soldaten werden uns schnell eingeholt haben!« entgegnete Cathérine. »Euer ›gerettetes Leben‹ ist nichts als ein schlecht bemäntelter Aufschub. Danach wird das Blut einer Menge wackerer Leute in Strömen fließen.«
»Das geht mich nichts mehr an! An dir liegt's, dich nicht erwischen zu lassen. Wenn sie dich erwischen, würde es dir übrigens nicht das mindeste nützen, wenn du die Wahrheit sagtest. Zwischen dem Wort einer Zigeunerin und dem eines Marschalls des Königs wird niemand zögern. Man würde dich nur auslachen!«
»Und … wenn ich mich weigere?«
»Deine Sara würde sofort in die Folterkammer geführt werden. Du könntest dem Schauspiel beiwohnen, bevor du selbst an ihm teilnähmst!«
Cathérine wandte angewidert den Kopf ab! Gilles' Gesicht hatte sich zu einer diabolischen, abstoßenden Maske verzerrt. Sie hob die Schultern und seufzte:
»Gut, ich werde gehorchen! … Ich fürchte, ich habe keine andere Wahl!«
»Du wirst den Diamanten stehlen und mir übergeben?«
»Ja …«, sagte sie überdrüssig. »Ich werde ihn Euch geben und hoffe, daß er Euch dasselbe Unglück bringt wie den anderen. Ich habe wahrhaftig keine Lust, ihn zu behalten.«
Die Ohrfeige, die Gilles ihr versetzte, entriß ihr einen Schmerzensschrei. Sie war so heftig gewesen, daß sie taumelte.
»Ich will deine Verwünschungen nicht hören, du Luder! Du hast, nur zu gehorchen, wenn du nicht willst, daß man dich verbrennt! Gehorchen, verstehst du?! Und zwar demütig!«
Vor Schmerz kamen ihr Tränen. Tapfer unterdrückte sie ihre Wehleidigkeit, aber der Kopf dröhnte ihr noch wie eine Glocke. Haßerfüllt sah sie den Mann an, der nun befahl:
»Hilf mir beim Ausziehen!«
Er hatte sich gesetzt und streckte ihr ein Bein hin, von dem sie den Schuh herunterziehen sollte. Einen Augenblick zögerte sie, aber sie kannte ihn zu gut, um sich zu weigern. Was nützte es? Sollte sie einen Dolchstoß riskieren? In seiner Wut war er zu allem fähig. Offensichtlich hatte er die Absicht, sie zu demütigen … Mit einem Seufzer kniete sie nieder.
Während Cathérine ihm beim Ablegen seiner Kleidungsstücke half, hatte Gilles einen Humpen Wein auf dem Tisch ergriffen und trank aus ihm mit vollen Zügen. Als der Humpen leer war, warf er ihn beiseite und griff zu einem anderen, dessen Inhalt er mit derselben Gier hinuntergoß. Ein dritter folgte. Entsetzt beobachtete Cathérine, wie sein Gesicht allmählich aufquoll, sich purpurrot färbte und seine Augen rot unterliefen. Als er nichts mehr auf dem Leibe hatte, nahm er von einem Armstuhl eine lange schwarze Samtrobe, zog sie sich über, knüpfte die Kordel um seine Taille und warf der jungen Frau einen bösen Blick zu, während er zu einem Anrichtetisch trat, auf dem Flaschen standen.
»Jetzt zieh du dich aus!« befahl er.
Langsam stieg Röte in Cathérines Wangen, und sie ballte die Fäuste. Ihre Augen funkelten vor Zorn, während ihr Mund sich halsstarrig verkniff.
»Nein«, sagte sie nur.
Sie machte sich auf einen Wutausbruch gefaßt. Nichts dergleichen geschah. Gilles ließ einen Seufzer hören, wandte sich lässigen Schritts zum Hintergrund des Zimmers und nahm von einem Möbelstück eine lange Jagdpeitsche.
»Gut«, sagte er nur. »Dann werde ich selbst es besorgen … damit!«
Im nächsten Augenblick pfiff die lange, schmiegsame Gerte durch die Luft und fetzte einen der weiten Ärmel herunter, nicht ohne den Arm Cathérines sengend zu streifen, die nur mit Mühe ein Wimmern unterdrückte. Sie begriff, daß sie unterlegen war, daß sie gehorchen mußte, wenn sie von diesem brutalen Tier nicht zusammengeschlagen werden sollte.
»Aufhören!« sagte sie mit matter Stimme, »ich gehorche.«
Im nächsten Augenblick fielen der dalmatinische Umhang und das feine Hemd zu ihren Füßen nieder …
Als es wieder Tag wurde, hatte Cathérine keine Tränen mehr. Von Entsetzen und Leiden erfüllt, war sie an der Grenze der Erschöpfung angelangt. Von dieser Nacht in den Händen des Sire de Rais sollte sie eine schreckliche, unauslöschliche Erinnerung zurückbehalten …
Der Mann war geisteskrank, es gab keine andere Erklärung. Er war manisch Blut und Laster verfallen, und stundenlang hatte die Unglückliche sich den widerlichen Phantasien unterwerfen müssen, die Gilles' verschrobener Geist und seine abnehmende Männlichkeit ihr auferlegten.
Ihr zerkratzter, mißhandelter Körper verwehrte ihr den Schlaf, und das Blut gerann auf ihrer Schulter, in die der Rasende seine Zähne gegraben hatte.
Während dieser ganzen schrecklichen Nacht hatte er nicht aufgehört zu trinken, zu trinken bis zum Delirium, und Cathérine hatte mehr als einmal geglaubt, ihre letzte Stunde sei gekommen; aber Gilles hatte sich damit zufriedengegeben, sie windelweich zu schlagen und in den gemeinsten Ausdrücken zu beschimpfen.
Das Quantum Wein, das ihr Peiniger in sich hineingeschüttet hatte, hatte Cathérine hoffen lassen, daß er endlich einschlafen würde, doch als die Morgenröte anbrach und die Hörner der Wächter die Öffnung der Stadttore verkündeten, hatte Gilles noch nicht die Augen geschlossen. Er hatte nur die Decke zurückgeschlagen und war aufgestanden, seinen nackten Körper in der Morgenfrische reckend. Dann hatte er sich angezogen und war hinausgegangen, ohne einen Blick auf die junge Frau zu werfen, die reglos auf dem zerwühlten Bett lag. Wie jeden Morgen rief ihn die Jagd. Hinter dem Bettvorhang, wo sie versuchte, eine bequemere Lage zu finden, hatte Cathérine die Signale der Jagdhörner, das Gebell der ungeduldigen Hunde und dann das Knarren der sich senkenden Zugbrücke gehört.
Draußen mußte sich ein schöner Frühlingstag ankündigen, doch durch die mit Blei eingefaßten Scheiben der schmalen Fenster in den dicken Mauern des Schloßturms drang mit Mühe nur ein grauer, matter Schein. Das Feuer war ausgegangen, aber die Kerzen, wenn auch weit heruntergebrannt, flackerten noch. Cathérines Schulter schmerzte so, daß sie sich trotz ihrer Müdigkeit aufraffte, um in einer der Kannen nach Wasser zu suchen. Doch kaum hatte sie den Fuß auf den Boden gesetzt, als das Zimmer sich um sie drehte, während in ihrem Kopf alles durcheinanderwirbelte. Stöhnend ließ sie sich wieder aufs Bett fallen. Sie fühlte sich entsetzlich schwach und elend. Von Kälteschauern geschüttelt, wickelte sie die Decken um ihren erschöpften Körper. Wenn sie riefe? Vielleicht käme eine Dienerin, die sich um sie kümmerte …
In diesem Augenblick öffnete sich ganz leise die Tür. Zuerst erschien der bärtige Kopf, dann der kolossale Körper La Trémoilles. Nachdem der dicke Kämmerer sich durch einen raschen Rundblick vergewissert hatte, daß Gilles nicht da war, schloß er sorgfältig und vorsichtig die Tür und näherte sich auf Zehenspitzen dem Bett. Mit großen, ängstlichen Augen sah Cathérine ihm entgegen. La Trémoille trug einen weiten Morgenmantel aus apfelgrüner Seide, nach seiner Gewohnheit reichlich mit Gold verziert, dazu eine Nachtmütze, die seinen schon etwas glatzköpfigen Schädel bedeckte. Diese Aufmachung erschreckte Cathérine: Hatte der dicke Kämmerer etwa die Absicht, sofort Gilles' leeren Platz neben ihr einzunehmen? Ein Schrei wollte ihr über die Lippen, und die junge Frau biß in die Decke, um ihn zu unterdrücken.
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