»Ich werde mein Bestes tun«, sagte sie nur.
Die Dame de La Trémoille nahm sich Zeit. Nachdenklich griff sie nach einem mit Wein gefüllten Pokal, der auf den Stufen ihres Bettes stand, und leerte ihn langsam bis auf den letzten Tropfen. Dann stellte sie den leeren Pokal wieder zurück, wandte ihr vom Wein leicht gerötetes Gesicht Cathérine zu, und ihre Augen funkelten.
»Es heißt, daß die Frauen deiner Rasse in der Zauberei, im Wahrsagen und im Zusammenstellen seltsamer Arzneitränke bewandert seien. Es heißt, ihr könntet in die Zukunft sehen, ihr könntet das Unglück und den Tod berufen … oder die Lieb. Stimmt das?«
»Vielleicht …«, antwortete Cathérine vorsichtig. Sie begann zu verstehen, worauf die andere hinauswollte, und dachte, daß da vielleicht eine Chance für sie läge. Wenn diese habsüchtige und perverse Frau an ihre Geschicklichkeit und Ergebenheit glaubte, konnte sie sie vielleicht dahin bringen, wohin sie sie haben wollte, und ihren Mann dazu.
»Kennst du«, nahm die Gräfin das Gespräch mit leiserer Stimme wieder auf, »den Zaubertrank, der die Liebe gibt, der das Feuer durch die Adern rinnen läßt, der den Verstand, die Scham, ja selbst den Widerwillen ausschaltet? Kennst du diese magische Mixtur, die ein Wesen einem anderen ausliefert?«
Cathérine hob den Kopf und zwang ihren Blick, sich mit dem ihrer Feindin zu kreuzen. Sie erinnerte sich an das glühende Erlebnis, das sie in den Armen Feros gehabt hatte, und brauchte kaum zu lügen, als sie bejahte.
»Ja, ich kenne sie. Das Liebesbedürfnis, das sie erweckt, wird zur Qual und verzehrt den ganzen Körper, wenn man es nicht befriedigt. Es gibt niemand, Mann oder Frau, der ihm widerstehen könnte.«
Ein triumphierendes Leuchten glitt über das gierige Gesicht, das sich ihr zuwandte. Plötzlich schnellte die Gräfin hoch, eilte zur anderen Seite des Zimmers, öffnete eine Truhe, wühlte darin und zog die mit Goldstücken gefüllten Hände wieder heraus.
»Sieh her, Zigeunermädchen! Dieses ganze Gold wird dir gehören, wenn du mir diesen Zaubertrank verschaffst!«
Langsam schüttelte Cathérine den Kopf. Ihr geringschätziges Lächeln bewirkte, daß die Dame La Trémoille den Goldregen klirrend in die Truhe zurückrieseln ließ.
»Du willst nicht?« fragte sie ungläubig.
»Nein! Gold kommt und vergeht mit dem Wind. Viel kostbarer, edle Dame, ist Euer Schutz. Schenkt mir Euer Vertrauen, laßt mich Euch dienen … und ich werde viel besser bezahlt sein!«
»Beim Haupte meiner Mutter! Zigeunermädchen, du sprichst kühn, und du gefällst mir! Wie heißt du?«
»Man nennt mich Tchalaï. Für Euch ein barbarischer Name!«
»Ein fremder Name! Hör zu, ich habe dir gesagt, daß du mir gefällst. Gib mir den Trank, um den ich dich bitte.«
»Ich habe ihn nicht bei mir, und um ihn zusammenzustellen, sind zwei Dinge nötig.«
Die Gräfin stürzte sich auf sie, drückte der jungen Frau heftig die Hände, wie von einer geheimnisvollen Leidenschaft besessen.
»Sprich! Du sollst alles haben, was du willst!«
»Ich muß zu den Meinen zurückkehren … oh, nicht lange«, fügte sie schnell hinzu, als sie sah, wie die andere die Stirn runzelte, »nur kurz, um gewisse Dinge zu holen …«
»Einverstanden! Bei Tagesanbruch, wenn die Tore geöffnet werden, lass' ich dich zum Lager eskortieren. Nimm dich in acht, versuche nicht zu entfliehen. Die dich begleitenden Bogenschützen werden den Befehl haben zu schießen!«
Cathérine hob geringschätzig die Schultern.
»Wozu? Mir gefällt es in diesem Schloß …«
»Sehr gut. Und die andere Bedingung?«
»Ich muß wissen, für wen dieser Trank bestimmt ist. Damit er seine ganze Wirkung tut, muß man eine Beschwörung hinzufügen, in die man den Namen dessen mischt, der ihn trinken soll!«
Es folgte Schweigen. Cathérine erriet, daß dieser Teil ihrer Forderungen mißfiel, aber da sie ihre Gegnerin kannte, wollte sie wissen, welcher Mann in der Gräfin eine Leidenschaft hatte wecken können, die so übermächtig war, daß sie sich um die Hilfe einer Zigeunerin bemühte. Möglicherweise gab es eine wirksame Waffe ab.
Im nächsten Moment schon zerrte die Dame de La Trémoille einen schwarzen Samtumhang aus einer Truhe und warf ihn sich um die Schultern. Dann nahm sie hastig ihr Haar zusammen, steckte es fest und legte einen Silberschleier darüber. Darauf drehte sie sich zu Cathérine um.
»Komm mit! Du sollst sehen!«
Eine Fackel ergreifend, zog sie Cathérine mit sich aus dem Zimmer. Im Flur fand die Gräfin die treu auf ihrem Posten ausharrende Violaine und schickte sie schlafen, dann ging sie der Treppe zu. Doch statt zum großen Saal hinunterzusteigen, stieß sie eine in die Mauer eingelassene kleine Pforte auf und glitt, Cathérine auf den Fersen, in einen schmalen, in die mächtige Mauer eingelassenen schlauchartigen Gang, der der jungen Frau endlos lang vorkam. Er schien in seiner ganzen Länge am Deckengewölbe des großen Saals entlangzuführen. Die Luft in ihm war kalt, feucht, und die Fackel in der Hand der Gräfin rauchte. Beinah am Ende angelangt, blieb sie stehen, reichte Cathérine die Fackel und tastete suchend über die Mauer. Eine kleine Platte glitt zur Seite und legte eine schmale Öffnung bloß, die kunstvoll aus dem Gewölbe herausgehauen und ohne Zweifel gut versteckt war. Das Gelärm des Festes, das schon gedämpft bis in den Gang gedrungen war, wurde betäubend. Die Gräfin zog Cathérine am Arm.
»Schau zum Kamin hin. Siehst du König Karl?«
Cathérine beugte sich vor und sah in der Tat auf einem hohen, vergoldeten Sessel unter einem blauen Thronhimmel einen Mann, der über seinem braunen Filzhut eine goldene Krone trug, und sie er kannte den König. Er hatte sich seit der Zeit der Jungfrau von Orléans nicht viel verändert. Sein langgezogenes, trübseliges Gesicht und die meergrünen, vorquellenden Augen waren noch immer die gleichen, aber er wirkte weniger mager. Seine Figur war fülliger, und sein Blick hatte den gehetzten, bei einem König so tragischen Ausdruck verloren.
In diesem Augenblick lächelte er einem sehr schönen jungen Mann zu, achtzehn oder neunzehn Jahre alt, der, auf Kissen halb hingelagert, zu seinen Füßen auf den Stufen des Thrones saß. Cathérine fand diesen Jungen ungewöhnlich schön, aber sie fand auch etwas Feminines in seiner Vollkommenheit. Zweifellos war das auf seine Jugend zurückzuführen, denn er schien groß, kräftig und wohlgeformt, wenn auch allzu anmutig. Das Lächeln war ein Wunder an Verführung …
Hinter ihrem Rücken hörte sie die drängende Stimme der Gräfin, die ihr zuflüsterte:
»Siehst du den Jüngling zu Füßen unserer Majestät?«
»Ich sehe ihn. Ist es …«
»Ja, das ist er! Er ist der Bruder der Königin: Charles d'Anjou, Graf von Maine.«
Cathérine unterdrückte noch rechtzeitig einen Ausruf der Verblüffung. Der Bruder der Königin, also der letzte der Söhne Königin Yolandes. Der berühmte Graf von Maine, dessen Charme und Tapferkeit sie in Angers hatte rühmen hören! Und in diesen jungen Mann, noch kaum dem Jünglingsalter entwachsen, hatte sich die Dame de La Trémoille verliebt? Sie war mindestens zwanzig Jahre älter als er …
Eine Schar von Tänzern in buntschillernden Kostümen flutete gegen die Stufen des Throns, doch schon glitt die kleine Platte zurück. Das Fest entschwand den Augen Cathérines. Sie hatte nicht einmal La Trémoille gesehen. Sie war mit der Gräfin wieder allein in dem engen Gang. Deren Gesicht, durch die Leidenschaft verzerrt, kam ihr in dem unsicheren Licht der Fackel plötzlich häßlich vor. Unwillkürlich stellte sie sich vor, was aus dieser Frau werden würde, wenn das Alter bei ihr seine Verwüstungen angerichtet hätte. Eine abscheuliche Hexe! … Aber das Spiel war schon zu weit gediehen, sie mußte es zu Ende spielen. Sie blickte die Gräfin unschuldig an.
»Und … er liebt Euch nicht?« fragte sie in naivem Ton, der durchblicken ließ, wie unverständlich sie das fand.
»Nein. Er spielt mir eine Komödie großer Gefühle vor, spricht von Ritterehre und schiebt immer meinen Gatten vor … als ob diese Leute der Königin Yolande jemals etwas anderes für ihn empfunden hätten als Haß! … ich fürchte, er hat irgendein Jüngferchen im Kopf. Und ich will, daß er mich liebt, verstehst du, Tschalaï! Ich will, daß er mir gehört … wenigstens eine Nacht! Dann wüßte ich schon, wie ich ihn an mich fesseln könnte!«
Cathérine antwortete nicht. Gewiß, der höllische Trank Tereinas könnte der Dame de La Trémoille die Liebesnacht verschaffen, die sie wünschte, aber sie empfand plötzlich einen Widerwillen, ihn ihr zu besorgen. Dieser frische, charmante Junge, so jugendlich, heiter und rein – sie konnte ihn sich nur mit Entsetzen in den Armen dieser überreifen Frau vorstellen! Ihr kam es wie eine Schändung, eine Entweihung vor …
Aber die andere drängte von neuem.
»Ich habe getan, um was du mich batest, Zigeunermädchen. Morgen, beim Morgengrauen, wird man dich zu deinem Lager führen, damit du holst, was du brauchst. Halte also dein Versprechen.«
Cathérine schüttelte mit einer Willensanstrengung den peinlichen Eindruck ab, von dem sie befallen wurde. Was machte es schon alles in allem aus, wenn der Junge eine Nacht mit dieser Frau verbrachte? Zweifellos war es die Liebe der Gräfin, die ihn bislang vor dem Zorn La Trémoilles bewahrt hatte, denn sie wußte sehr wohl, wie lästig die Anwesenheit des jungen Grafen in des Königs Nähe dem Großkämmerer war.
Sie hob den Kopf und blickte der Dame direkt ins Gesicht.
»Ich werde mein Versprechen halten«, versicherte sie.
»Gut, gehen wir zurück! Du wirst bis zum Morgengrauen auf Kissen am Fuße meines Bettes schlafen.«
Eine hinter der anderen verließen sie den schmalen Steingang.
Auf dem Lager, das man ihr aus Kissen zurechtgemacht hatte, damit rechnend, daß man sie im Ankleidekabinett der Gräfin unterbringen würde, schlief Cathérine schlecht. Sie war nervös und unruhig, machte sich Sorgen, wie La Trémoille reagieren würde, wenn er ihr Verschwinden entdeckte, und dann war es zu heiß, zu drückend in dieser luftlosen, von starken Parfümen durchtränkten Kammer. Trotz allem schlief sie schließlich ein, doch als am frühen Morgen Violaine hereinkam, um sie zu wecken, hatte sie Kopfschmerzen und fühlte sich vor Müdigkeit ganz zerschlagen. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu erinnern, was sich zuvor zugetragen hatte.
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