Wortlos stieß der Soldat mit der Fackel die unverriegelte Tür auf. Cathérine konnte einen Ausruf des Schreckens und Abscheus nicht unterdrücken …
Vor ihr wechselten sich zwei in Leder gekleidete Folterknechte, die rasierten Schädel schweißnaß vor Anstrengung, bei der Auspeitschung eines Mannes ab, der mit den Handgelenken an das Kapitell einer Säule gebunden war … Die junge Frau sah La Trémoille nicht sofort, der in einem Winkel auf einem klobigen Holzsessel saß und zusah, das dreifache Kinn in die Hand gestützt. Seine Augen lagen gespannt auf dem Gefolterten, der noch schwach stöhnte. Die schlaff gewordenen Beine des Mannes trugen ihn nicht mehr, und das gesamte Gewicht seines Körpers hing an den gefesselten Handgelenken. Der Kopf mit dem langen schwarzen Haar hing kraftlos herunter, und der Rücken war ein einziger Brei, in den die Peitschen mit einem schrecklichen Geräusch klatschten. Der Boden war mit Blutflecken übersät … Krank vor Grauen, wich Cathérine gegen die Mauer zurück, konnte aber einen Blutspritzer auf die Wange nicht vermeiden.
Ihr Blick suchte den ihrer Begleiterin, doch die Dame de La Trémoille sah sie gar nicht an. Mit geblähten Nüstern und aufgerissenen Augen genoß sie so offensichtlich das Spektakel, daß es Cathérine zutiefst übel wurde. Der Mann stöhnte nicht mehr. Die Henker hörten auf zu schlagen, doch bevor noch einer der beiden mit einer brutalen Bewegung die langen schwarzen Locken, die über das Gesicht des Opfers hingen, beiseite schob, hatte die junge Frau Fero erkannt … Und plötzlich drängte sich ihr eine entsetzliche Vision auf. Statt des Zigeuners sah sie Arnaud, wie dieser an eine Säule gebunden, stöhnend und blutend unter der Peitsche eines Folterknechts, und hinter ihm diese ekelhafte Frau, die sich mit ihrer langen, spitzen Zunge über die trockenen Lippen fuhr. Dieser Folter war Arnaud in den Verliesen von Sully unterworfen worden, bevor Xaintrailles ihn aus der Haft befreite. Und die Vision war so erschreckend deutlich, daß eine Woge wilden Hasses in Cathérine aufwallte …
Voll blinder, unbeherrschter Wut suchte sie in ihrem Mieder Arnauds Dolch. Aber ihre zitternde Hand traf zuerst auf das Tonfläschchen und verhielt dort, überdies meldete die dumpfe Stimme des einen Folterknechts:
»Der Mann ist tot, Monseigneur …«
La Trémoille stieß einen gelangweilten Seufzer aus und wuchtete dann mit einiger Anstrengung seinen riesigen Körper aus dem Sessel.
»Er war weniger widerstandsfähig, als es den Anschein hatte. Werft ihn in den Fluß …«
»Keinesfalls!« mischte seine Frau sich ein. »Ich habe diesem Mädchen hier versprochen, daß er den Seinen wiedergegeben würde. Man schaffe ihn also zu ihnen zurück … und jage sie dann davon!« Ihr verschleierter, mit böser Freude geladener Blick wandte sich nun Cathérine zu, die sich, bleich und mit zusammengebissenen Zähnen, an die Mauer lehnte.
»Du siehst«, sagte sie mit gefährlicher Freundlichkeit, »ich tue alles, was du willst …«
Cathérines düstere Augen richteten sich auf sie, bohrten sich in den unverschämten, beleidigenden Blick, von so viel Haß und Verachtung brennend, daß die andere, widerwillig beeindruckt, einen Schritt zurücktrat. Langsam zog sie ihre Hand aus dem Mieder, die noch immer das Fläschchen umklammerte. Ihre Finger preßten sich mit einer allein aus ihrem Zorn geborenen Kraft zusammen, bis das leicht zerbrechliche Fläschchen zermalmt war. Dann schleuderte sie die Scherben mit einer heftigen Bewegung ihrer Feindin ins Gesicht:
»Und ich gebe, was ich versprochen habe …«, sagte sie tonlos.
Furchtbarer Zorn verzerrte das blasse Gesicht der Gräfin. Eine der Scherben hatte sie leicht an der Lippe verletzt, die ein wenig blutete und ihr das schreckliche Aussehen eines Vampirs verlieh. Sie wies mit einem vor Wut zitternden Finger auf Cathérine:
»Ergreift diese Frau, bindet sie an die Stelle ihres Genossen und schlagt, schlagt … bis auch sie krepiert!«
Cathérine begriff, daß sie verloren hatte, daß sie in einer Sekunde blinder Wut alles verdorben und zerstört hatte, ihre Rache und die Pläne der Königin Yolande. Sie begriff weiter, daß sie aus dieser Höhle nicht lebend herauskäme, doch seltsamerweise bereute sie mit keinem Gedanken, was sie getan hatte. Sie würde sich zweifellos als Preis für Arnauds Leiden und für die Leiden, die ihr bevorstanden, mit dem winzigen Blutstropfen der verletzten Lippe und der Wut dieser Frau zufriedengeben müssen, aber wenigstens lief der junge Graf von Maine nicht mehr Gefahr, und sei es auch nur für eine einzige Nacht, in die Klauen dieses abscheulichen Geschöpfs zu geraten.
Schon packten die beiden Folterknechte Cathérine, aber La Trémoille, der eben hatte hinausgehen wollen, war stehengeblieben, als die falsche Zigeunerin seine Frau attackiert hatte. Mit einer Neugier, die Vergnügen nicht ausschloß, hatte er ihren Streit verfolgt, hatte sich sogar gebückt, um einen Finger in die auf den Boden vergossene Flüssigkeit zu tauchen, und hatte daran gerochen. Er griff ein.
»Einen Augenblick, wenn ich bitten darf. Diese Frau ist mir übergeben worden. Also steht mir es zu, über sie zu verfügen … Ihr erinnert Euch, meine Teure, daß ich sie Euch nur … geliehen habe?«
Doch die Dame übertrug jetzt ihren Zorn auf ihren Gatten und ging mit geballten Fäusten auf ihn los:
»Sie hat mich beleidigt, hat mich angegriffen, diese Zigeunerhündin, diese dem Scheiterhaufen bestimmte Kreatur! Und Ihr zögert, sie zu bestrafen?«
»Ich zögere durchaus nicht. Sie wird bestraft werden … aber zu gegebener Zeit! Im Augenblick müßt Ihr Euch damit zufriedengeben, daß sie in den Kerker geworfen wird. Es ist da einiges, was ich gerne klären möchte.«
»Was noch?«
»Zum Beispiel … was in diesem Fläschchen war, dessen Verlust Euch so großen Kummer zu bereiten scheint!«
»Das geht Euch nichts an!«
»Um so mehr interessiert's mich. Los, ihr da, sperrt diese Frau ins Verlies. Und merkt euch, daß keiner sie ohne meinen ausdrücklichen Befehl anrühren darf. Ihr haftet mir mit eurem Leben.«
»Was für Vorsichtsmaßregeln!« zischte die Gräfin haßerfüllt, aber gebändigt. »Man könnte meinen, Gott verzeihe mir, daß Euch sehr viel an diesem Mädchen liege.«
»Gott kümmert sich nicht um Euch, meine Teure, ebensowenig, wie Ihr Euch um ihn kümmert. Was diese Frau betrifft, gewiß, sie ist mir wertvoll. Hat sie Euch nicht schaden wollen? Um ihren Haß zu erklären, muß es einen gewichtigen Grund geben. Ich liebe Euch zu sehr, um nicht zu versuchen, ihn kennenzulernen … mit allen Mitteln. Kommt Ihr?«
Er bot ihr mit einem spöttischen Lächeln die Hand. Cathérine schien es, als fürchte sich der dicke Kämmerer plötzlich weniger vor seiner Frau als sonst. Er hatte soeben eine Waffe gegen sie entdeckt und verstand es offenbar gut, sich ihrer zu bedienen. Sie gingen zur Tür, ein merkwürdiges, durch die soliden Ketten der Habsucht und des Hasses stärker als durch zärtliche Liebe aneinandergefesseltes Paar, unheilvolle Schemen aus einem Alptraum, und sie dachte, daß es vielleicht die schlimmste Strafe für sie wäre, wenn man sie zusammen in ein kleines Zimmer sperrte, den Schakal mit der Hyäne, und sie sich dort in alle Ewigkeit gegenseitig zerreißen müßten … Was für eine Verdammnis wäre ein solches Tête-à-tête!
Aber es blieb ihr keine Zeit, sie verschwinden zu sehen. Einer der Folterknechte hatte ihr seine grobe, haarige, in einen Lederhandschuh gepreßte Pfote auf die Schulter gelegt und zog sie jetzt in den Hintergrund des Folterraums.
»Hier entlang, meine Schöne!«
Sein Kamerad band inzwischen den leblosen Körper Feros los, der mit einem dumpfen Geräusch zu Boden glitt. Cathérine fühlte, daß ihre Augen sich mit Tränen füllten. Dieser Mann hatte sie geliebt, dieses gefolterte Fleisch hatte heiß und voller Lebenslust an dem ihren gebebt, diese blutlosen, im Todeskampf zerbissenen Lippen hatten Worte der Liebe gestammelt und sie rasend geküßt … und jetzt war Fero nichts weiter als ein blutiger Fleischklumpen, der in kurzem ins Lager hinuntergeschafft werden würde. Bei dem Gedanken an Tereinas Schmerz stieg ein Schluchzen in ihr auf und drang über ihre Lippen. Der Mann, der sie abführte, täuschte sich über seine Bedeutung.
»Jetzt kannst du weinen, nachdem du dir dein Todesurteil gesprochen hast, arme Idiotin! Welche Mücke hat dich gestochen, diese fürchterliche Frau anzugreifen?«
Und als Cathérine nicht antwortete, senkte er den dicken Kopf, der ohne Hals direkt in die massigen Schultern überzugehen schien.
»Es wird mir Schmerz bereiten, dich zu foltern, weil es schade ist, ein schönes Mädchen wie dich zugrunde zu richten! Aber wahrscheinlich wirst du für das, was du ihr angetan hast, grausam bezahlen müssen.«
»Was kann sie schon anderes tun als mich töten!« sagte Cathérine verächtlich.
»Es gibt töten und töten! Mir wär's am liebsten, wenn ich dich nur hängen müßte, aber damit wird sie sich garantiert nicht zufriedengeben! Nun … ich werde versuchen, mich unbeholfen zu stellen, damit es nicht zu lange dauert!«
Die Absichten des Mannes waren gut, aber die Vorstellung, die seine Worte beschworen, war entsetzlich, und Cathérine preßte die Zähne zusammen, um nicht zu schaudern.
»Danke!« sagte sie nur.
Beim Verlassen des niedrigen Raums waren der Folterknecht und seine Gefangene auf einen schmalen Gang getreten, auf den sich drei eisenbeschlagene Türen öffneten. Eine davon war offen. Der Mann stieß Cathérine in ein enges, feuchtes Verlies. Ein modriggrüner Wasserkrug, ein Haufen faules Stroh und ein Paar eiserner Handschellen, die mit rostigen Ketten an der Mauer befestigt waren, bildeten seine ganze Einrichtung.
Durch ein winziges Kellerfenster, kaum größer als eine Hand und zu hoch angebracht, als daß man es hätte erreichen können, drang dürftiges Tageslicht herein. Schmutziges Wasser rieselte unter ihm an der Wand herunter.
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