»Und der Kalif läßt das zu?«
Abu al-Khayr zuckte mit den Schultern.
»Warum nicht? Da dein Gatte nicht zum Islam übertreten wird, ist er für ihn ein christlicher Gefangener wie jeder andere. Er sieht ihn als ein Spielzeug seiner leidenschaftlichen Schwester an, nichts weiter. Übrigens kennt Sultan Mohammed die Zornesausbrüche Zobeidas zu gut, um ihr zu widersprechen. Die Naßriden sind eine merkwürdige Familie … in der man leicht stirbt, wie du später erfahren wirst. Sich auf dem Thron zu halten ist ein erschöpfender Kampf, und wenn du hörst, daß Mohammed VIII. den seinen zweimal zurückerobern mußte, wirst du mehr verstehen. Dieser rote Palast verbirgt eine Schlangengrube. Sie aufzustöbern ist gefährlich …«
»Genau das will ich tun. Ich möchte hinein.«
Verblüffung benahm Abu einen Augenblick den Atem, während Josse und Gauthier zum erstenmal nach langen Minuten Einspruch erhoben.
»Du willst in die Alhambra?« stieß Abu endlich hervor. »Hast du den Verstand verloren? Das geht nicht. Obgleich Zobeida mich nicht ausstehen kann, werde ich mich unter irgendeinem Vorwand zu ihr begeben, um deinen Gatten wissen zu lassen, daß du bei mir bist. Im übrigen habe ich ihm bereits vorausgesagt, daß du kommen würdest.«
»Was hat er darauf erwidert?«
»Er hat gelächelt und den Kopf geschüttelt. ›Warum sollte sie kommen?‹ hat er gesagt. ›Sie hat alles, was sie immer gesucht hat: Liebe, Ehren, Reichtum … Und der Mann, den sie sich erwählt hat, gehört zu denen, die eine Frau zu halten verstehen. Nein, sie wird nicht kommen.‹«
»Wie schlecht er mich kannte!« seufzte Cathérine bitter. »Ihr hattet recht.«
»Und ich fühle mich nicht glücklich dabei! Ich werde mich jetzt zu ihm begegnen und …«
Er kam nicht weiter. Catherines Hand hatte sich auf seinen Arm gelegt, um ihn zurückzuhalten.
»Nein. Das kann mir nichts nützen, und zwar aus zwei Gründen: Der erste ist, wenn Arnaud erfährt, daß ich hier bin, wird er Euch entweder sagen, daß ich nicht mehr für ihn existiere … und daran würde ich sterben, oder er wird trachten, zu mir zu kommen, und dadurch sein Leben in Gefahr bringen.«
»Das ist tatsächlich ein gewichtiger Grund. Und der zweite?«
»Der zweite ist, daß ich mit eigenen Augen sehen will, wie seine Beziehungen zu dieser Frau sind. Ich will wissen, ob er sie liebt, versteht Ihr? Wenn sie mich wirklich aus seinem Herzen vertrieben hat, will ich ihre Küsse zählen, ihre Liebkosungen belauern. Ich habe keine Illusionen, müßt Ihr wissen. Ich sehe mich, wie ich bin. Das heißt, ich bin kein junges Mädchen mehr. Und diese Zobeida – ihre Schönheit hat mich vor kurzem in Verzweiflung gestürzt … Warum sollte es ihr also nicht gelungen sein, sein Herz zu erobern?«
»Und wenn es so wäre?« warf Gauthier ein. »Wenn diese Frau Messire Arnaud erobert hätte, wenn er ihr Sklave geworden wäre? Was tätet Ihr dann?«
Langsam wich das Blut aus Catherines Wangen. Sie schloß die Augen, versuchte, das Bild Arnauds in den Armen der Prinzessin zu verdrängen, ein gefährlich scharfes Bild jetzt, nachdem sie Zobeida gesehen hatte.
»Ich weiß es nicht!« sagte sie nur. »Ich weiß es wirklich nicht … aber ich muß es wissen! Und erst dort werde ich es wissen …«
»Laßt mich hingehen, Dame Cathérine. Es wird mir gelingen zu erfahren, ob Euer Gatte sich von Euch abgewandt hat. Und zumindest werdet Ihr dann nicht in Gefahr sein …«
Jetzt ergriff Abu al-Khayr das Wort:
»Wie willst du zu ihm durchdringen, Mann des Nordens? Die Gemächer Zobeidas bilden einen Teil des Harems, und obwohl sie ein wenig abseits gelegen sind, stehen die Wächter des Kalifen vor den Türen. Kein Mann betritt den Harem, es sei denn, er ist Eunuch.«
»Ist Messire Arnaud einer?«
»Sein Fall liegt anders! Er ist ein Gefangener, und Zobeida behütet ihren Schatz wohl. Du würdest deinen Kopf in einem Abenteuer ohne den geringsten Nutzen verlieren …«
Gauthier wollte Einwände erheben, aber der Arzt hieß ihn schweigen.
Er wandte sich an Cathérine:
»In welcher Eigenschaft hoffst du, bei Zobeida einzudringen?«
»Ich weiß es nicht. Als Dienerin vielleicht … Ist das möglich? Ich spreche dank Josses Unterweisung Eure Sprache, und ich bin eine gute Schauspielerin.«
Zur Unterstützung ihrer Worte erzählte Cathérine ihrem Freund von ihrem Aufenthalt bei den Zigeunern und wie sie, ohne einen Fehler zu begehen, ihre schwierige und gefährliche Rolle tagelang gespielt hatte.
»Es kam mir nur darauf an, uns zu rächen, Arnaud und mich«, sagte sie abschließend. »Was könnte ich nicht alles tun, wenn es sich darum handelte, ihn zurückzuholen und meinen einzigen Lebensinhalt wiederzufinden? Ich flehe Euch an, Abu, helft mir … helft mir, in die Alhambra zu gelangen. Ich muß ihn sehen, ich muß Gewißheit haben …«
Sie streckte ihm flehentlich die Hände entgegen, und Abu al-Khayr wandte den Kopf ab, sich schämend, daß auch er durch die Tränen einer Frau schwach wurde.
Lange verharrte er in Schweigen.
»Es ist reiner Wahnsinn!« seufzte er schließlich. »Aber ich weiß schon lange, daß du deinen Kopf durchsetzt! Ich verspreche dir, ernstlich darüber nachzudenken. Aber es braucht Zeit … Ein Abenteuer dieser Art muß in Ruhe und mit Überlegung vorbereitet werden. Überlasse mir diese Sorge. Genieße, während du wartest, ein wenig mein Haus, meinen Garten. Du wirst sehen, daß sie viel Schönes bieten. Ruhe dich aus. Pflege dich, schlafe und warte in Ruhe ab …«
»Abwarten?« begehrte Cathérine auf. »Abwarten? Was redet Ihr da? Glaubt Ihr, mir stünde der Sinn nach Ruhe, nach Wohlleben, während … die Eifersucht mich verzehrt«, fügte sie offen hinzu, »und das Verlangen, ihn wiederzusehen, an mir nagt?«
Abu al-Khayr erhob sich, schob die Hände in seine weiten Ärmel und sah Cathérine streng an.
»Gut, laß dich von der Eifersucht verzehren, laß das Verlangen nach deinem Gatten noch einige Tage an dir nagen! Soeben warst du noch über die Schönheit Zobeidas bestürzt – hast du die Absicht, dem Mann, den du liebst, mit glanzlosem Haar, sommersprossiger Haut, mit von den Zügeln schwieligen Händen und dem mageren Körper einer verhungerten Katze gegenüberzutreten?«
Verwirrt senkte Cathérine den Kopf unter dieser Standpauke und wurde so rot wie die auf dem Tablett zurückgebliebenen Granatäpfel.
»Bin ich so häßlich geworden?« stammelte sie.
»Du weißt genau, daß du's nicht bist«, erwiderte Abu trocken. »Aber bei uns lebt die Frau nur, um dem Mann zu gefallen. Ihr Körper ist lediglich das Gefäß für die kostbaren Parfüms, die er gern einatmet, die Harfe, die er gern zum Klingen bringt, der Rosen- und Orangengarten, in dem er sein Verlangen schweifen läßt. Diese Waffen, die Zobeida besitzt, mußt du dir aneignen, oder vielmehr sie wiederfinden. Nur so wirst du deine Rivalin mit gleichen Waffen bekämpfen können. Erinnere dich an die Dame mit dem schwarzen Diamanten, die über einen Fürsten herrschte! Morgen werde ich dich persönlich in die benachbarte Badeanstalt führen und dich der Obhut Fatimas übergeben, die die Frauenabteilung unter sich hat. Es ist die gräßlichste Alte, die ich kenne, und die Königin der Kupplerinnen, aber sie versteht sich besser als irgend jemand darauf, aus einem vom Pflug ausgemergelten Maultier ein strotzendes Stutenfüllen mit herrlichem Fell zu zaubern. Und sie ist mir sehr verpflichtet: Sie wird Wunder an dir wirken! Und jetzt verlasse ich dich, ich muß noch einige Krankenbesuche machen. Wir sehen uns heute abend wieder.«
Er ging mit der ihm eigenen Würde hinaus und ließ Cathérine mit der bangen Frage zurück, ob das ›vom Pflug ausgemergelte Maultier‹ etwa auf sie bezogen war? Die Frage stand ihr so deutlich im Gesicht, daß Gauthier und Josse sich in schöner Einmütigkeit vor Lachen bogen. Josse kamen schließlich sogar die Tränen.
»So etwas Lustiges wie dieser kleine, brave Mann ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht vorgekommen!« sagte er, sich verhaspelnd und auf die Schenkel schlagend. »Oh, oh, oh, oh! … Nein! Das ist zu komisch!«
Einen Augenblick betrachtete Cathérine die beiden Männer, die sich unter der Gewalt ihres Gelächters auf den Kissen wälzten, und fragte sich, ob sie nicht doch böse werden sollte. Aber das Gelächter war ansteckend, und Cathérine konnte ihm nicht lange widerstehen. Es blieb ihr letzten Endes nichts anderes übrig, als es ihnen nachzutun.
Als Gédéon sah, daß alle so herzhaft lachten, glaubte er, die Höflichkeit erfordere es, daß auch er in das Konzert einstimme: »Ha, ha, ha, ha!« krächzte er. »Ca…thérine! Unaussssstehliche Cathérrrrine! Rrrruhm … dem Herrrzog!« Ein Kissen, das Gauthier ihm mit sicherer Hand an den Kopf warf, schnitt ihm das Wort ab.
10
Auf einer mit einem roten Badelaken bedeckten Marmorbank ausgestreckt und sich zwingend, an nichts zu denken, wie man es ihr geraten hatte, überließ Cathérine sich der Pflege Fatimas und ihrer Gehilfinnen. Sie schloß sogar die Lider, um nicht in die großen weißen Augen Fatimas blicken zu müssen, die noch häßlicher war, als Abu al-Khayr ihr angekündigt hatte.
Sie war eine riesige Äthiopierin, schwarz wie die Nacht und offenbar mit Bärenkräften versehen. Ihr schwarzes, dichtes, krauses Haar war kurz wie das eines Mannes, jedoch schon von einigem Grau durchzogen, und ihre großen Augen rollten in den Höhlen, versanken in einer weißgelblichen Hornhaut, die von feinen roten Äderchen durchzogen war. Wie ihre beiden Gehilfinnen war sie bis zur Taille nackt, und ihre schwarze Haut glänzte vor Schweiß, ihre riesigen, melonengleichen Brüste hüpften schwerfällig im Rhythmus ihrer Bewegungen. Von Zeit zu Zeit zog sie ihre dicken roten Lippen zurück, entblößte ihre blitzendweißen Zähne und machte sich dann wieder daran, den Körper der jungen Frau mit ihren Händen, die die Größe von Wäscheklopfern hatte, durchzukneten. Als Cathérine, fest in einen weiten grünen Umhang gehüllt, auf einem Esel in feierlicher Begleitung Abu al-Khayrs und der beiden stummen Schwarzen drei Schritte dahinter in der Badeanstalt angekommen war, hatte Fatima untertänigst gegrüßt, um sich dann mit dem Arzt in eine Unterhaltung von solchem Tempo zu stürzen, daß Cathérine bestimmt kein Wort verstanden hätte, wenn Abu sie nicht vorher unterrichtet hätte, was er sagen würde, um die Anwesenheit einer blonden Fremden in seinem Haus zu erklären.
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