Die Idee war einfach und außerdem noch einigermaßen erstaunlich, wenn man das Mißtrauen kannte, das der kleine Arzt Frauen gegenüber hegte: Er habe diese schöne blonde Sklavin von einem Barbarenschiff gekauft, das in Almeria zwischengelandet sei, und schätze, er werde an ihr in seinen alten Tagen seine Freude haben, wenn Fatima einmal ihre unübertreffliche Kunst an ihr praktiziert und sie würdig gemacht habe, das Lager eines anspruchsvollen Gläubigen zu teilen. Aber er hatte von der dicken Äthiopierin verlangt, daß sie sie anderen Kundinnen stets fernhalte, weil er fürchte, wie er sagte, daß über die Nachricht von seiner großartigen Erwerbung geklatscht würde. Die prüde Miene, die niedergeschlagenen Augen und das Getue ihres Freundes hatten Cathérine fast zum Lachen gebracht, aber Fatima sah nur Feuer. Oder vielmehr schloß sie aus den schönen Golddinaren, die aus der Hand ihres Klienten rollten, daß der weise Abu al-Khayr sehr verliebt sein mußte und man sich nicht auf den äußeren Schein verlassen durfte. Der da, mit all seiner Würde und Geringschätzung, war alles in allem auch wie die anderen! Ein schönes Mädchen kam bei ihm immer ans Ziel …
Sie machte sich alsbald ans Werk. Im Handumdrehen von zwei Maurinnen entkleidet, die ebenso mager waren wie ihre Herrin fett, fand sie sich auf einem Holzschemel in einem ganz mit Mosaiken verkleideten, von Dampf erfüllten Raum wieder. Dort ließ man sie eine gute halbe Stunde schwitzen, worauf die beiden Bademeisterinnen sie halb erstickt auf die Massagebank transportierten, wo Fatima, die Fäuste in den Hüften, sie wie der Henker sein Opfer erwartete.
Cathérine wurde wie Brotteig auf dem Tisch ausgebreitet, dann zog Fatima, ohne einen Augenblick zu verlieren, einen Handschuh aus rauher Wolle über die rechte Hand, packte mit der anderen einen großen Topf mit einer ockerfarbenen, teigartigen Lehmmasse und begann, ihre Klientin in irrsinnigem Tempo einzuschmieren. Im Nu war die junge Frau in eine Art Schlammstatue mit ein paar Löchern für die Augen und die Atmung verwandelt. Die kräftigen Hände Fatimas massierten sie mit diesem Lehm, dann wusch man sie unter einer Dusche ab, hüllte sie in ein großes, feines Wolltuch und brachte sie auf einen anderen Tisch mit einer bogenförmigen Stütze für den Hals, so daß das Haar frei herunterhängen konnte.
Catherines Haar wurde mehrmals eingeseift, gespült, nochmals gespült, mit parfümiertem Öl getränkt, dann wieder gewaschen und schließlich mit einer Essenz aus Jasmin eingerieben. Während der ganzen Zeit, die diese Arbeitsgänge dauerten, hatte sie die Stimme der dicken Fatima nicht ein einziges Mal gehört. Sie machte erst den Mund auf, als ihre Klientin, ein trockenes Handtuch um den Kopf und in einen feinen, weißwollenen Bademantel gehüllt, auf einer Art Ruhebett inmitten unzähliger Kissen ruhte.
Zuerst klatschte Fatima in die Hände, worauf ein Eunuch mit einem großen Kupfertablett erschien, auf dem eine Menge kleiner Schüsseln stand.
Dieses Tablett stellte er auf einen niedrigen Tisch neben dem Ruhebett. Fatima, die es nicht für nötig befunden hatte, ihre Blöße zu bedecken, als der Eunuch eingetreten war, zeigte auf das Tablett.
»Du wirst alles essen, was da draufsteht«, sagte sie zu Cathérine.
»Alles?« rief die junge Frau bestürzt. In der Tat konnte sie auf dem Tablett mehrere Arten Fleischkugeln dampfen sehen, zwei Suppen, von denen die eine ebenfalls Fleischklöße zu enthalten schien, in Essig eingelegte Gurken, geröstete Auberginen, eine Art Ragout in einer würzigen Sauce und schließlich mehrere Kuchensorten, die von Honig glänzten und mit Mandeln bespickt waren. Selbst Gauthier hätte davon satt werden können! »Das könnte ich nie alles essen!« sagte sie mit einer Schüchternheit, die durch die imposante Erscheinung Fatimas zu erklären war, aber die Bademeisterin ließ sich nicht im geringsten rühren.
»Du wirst dir die nötige Zeit dazu nehmen, aber du mußt alles essen! Versteh mich wohl, Licht des Morgens: Dein Herr Abu al-Khayr hat dich mir anvertraut, auf daß ich das schönste Geschöpf des ganzen Islams aus dir mache. Und ich habe meinen Ruf zu erhalten. Du kommst mir hier nicht heraus, bis dein Körper so lieblich wie Rosensorbett geworden ist!«
»Ich komme hier nicht heraus?« wiederholte Cathérine. »Was willst du damit sagen?«
»Daß du dieses Haus nur verlassen wirst, um ins Bett deines Herrn zu gehen und ihm Freude zu bereiten«, versicherte die Negerin gelassen. »Bis zu diesem Tag ist dies deine Wohnung. Hier wirst du bedient, gepflegt und beaufsichtigt werden wie …«
»Wie eine Mastgans!« brauste Cathérine auf. »Aber ich will nicht! Ich werde hier vor Langeweile umkommen!«
»Dazu wirst du gar keine Zeit haben! Du bist zwar schön, aber gräßlich mager, deine Haut ist trocken. Es gibt viel zu tun. Und dann wirst du dich im Garten ergehen und die frische Abendluft auf der Terrasse genießen können. Schließlich wirst du, gebührend verschleiert und unter gutem Geleit, von Zeit zu Zeit einen Spaziergang in die Stadt machen. Glaube mir, du wirst keine Zeit haben, dich zu langweilen! Im übrigen wird die Dauer deines Aufenthalts hier von deinem guten Willen abhängen. Je eher du bereit bist, desto schneller kommst du hier heraus … obwohl ich die Eile nicht begreife, mit der du nach den Liebkosungen des kleinen Arztes verlangst, der zwar viel Hirn hat, aber wenig Muskeln und ein armseliger Liebhaber sein muß. Iß!«
Und mit diesem nachdrücklichen Befehl ging Fatima hinaus und ließ Cathérine unschlüssig zwischen Wut und Lachlust zurück. Wie hatte Abu es wagen können, sie bei dieser Frau einzusperren! Er hatte sich wohl gehütet, ihr zu sagen, daß sie erst dann zu ihm zurückkehren werde, wenn sie ihren ganzen Charme wiedererlangt habe, denn er wußte sehr wohl, wie sie darauf reagiert hätte. Übrigens ließ sich nicht schwer erraten, daß er sie, als er sie diesem schwarzen Dickwanst anvertraut hatte, vor ihren eigenen Impulsen sichern und sich selbst Zeit zum Überlegen geben wollte. Im Grunde war es hinterlistig! Das beste war, zu gehorchen.
Folgsam schlang sie den Inhalt ihres Tabletts hinunter, trank mit Mißtrauen zuerst, dann mit zunehmendem Genuß Pfefferminztee, heiß, stark und gut gezuckert … und schlief darauf ganz natürlich ein. Als sie erwachte, stand Fatima neben ihrem Diwan, breit grinsend und ihre kräftigen weißen Zähne entblößend.
»Du hast zwei Stunden geschlafen!« verkündete sie ihr triumphierend. »Und du hast alles aufgegessen: gut so! Wir werden uns verstehen. Jetzt können wir fortfahren.«
Zwei Dienerinnen hoben sie vorsichtig, als wäre sie eine Kristallvase, von ihrem Diwan und brachten sie in den Raum der Enthaarung, wo sie eine Spezialistin mit Hilfe einer dicken Paste aus Kalk und Rauschgelb von jedem überflüssigen Flaum befreite, während eine Friseuse ihr Haar mit zartem Henna bestrich, das, einmal entfernt, ihrem Haar einen wundervollen rotgoldenen Glanz verlieh. Danach übergab man sie wieder den Händen Fatimas. Die Bademeisterin rieb den ganzen Körper ihrer Klientin mit einem ätherischen Öl ein und begann dann, sie zu massieren.
Diesmal überließ sich Cathérine der Prozedur mit echtem Vergnügen.
Die schwarzen Hände Fatimas konnten eine unerbittliche Festigkeit, doch ebenso auch erstaunliche Sanftheit beweisen. Zweifellos um sie zu ermutigen, erklärte die Äthiopierin, während sie den Bauch der jungen Frau energisch bearbeitete:
»Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du selbst mit der Prinzessin Zobeida, der Perle des Harems, wetteifern können.«
Der Name ließ Cathérine zusammenzucken. Sie wurde sofort aufmerksam und fragte, ohne sich den Anschein eines besonderen Interesses zu geben:
»ich habe von ihr gehört. Kennst du sie? Man sagt, sie sei sehr schön …«
»Gewiß, ich kenne sie. Sie hat sich sogar einmal nach einer Krankheit meiner Behandlung anvertraut. Sie ist das schönste Pantherweibchen des ganzen Orients. Sie ist grausam, wild, feurig, aber schön! O ja, bewunderungswürdig schön! Und sie weiß es ganz genau. Zobeida ist stolz auf ihren Körper, dessen Vollkommenheit sie kennt, auf ihre Brüste, nach denen man makellose Schalen formen könnte … und sie verbirgt sie nicht im geringsten. In ihren Gemächern und in ihrem Privatgarten trägt sie nichts als ganz durchsichtige Musselinstoffe und wunderbare Juwelen, um die Augen ihres Geliebten zu ergötzen.« Plötzlich schluckte Cathérine.
»Ihres Geliebten?«
Fatima drehte Cathérine wie einen Eierkuchen herum, um ihr den Rücken zu massieren. Dann lachte sie höhnisch.
»Ich müßte eigentlich ›ihrer Geliebten‹ sagen, denn in den Basaren flüstert man, daß nächtens mehr als ein schöner Krieger durch eine geheime Pforte in die Gemächer der Prinzessin eingelassen wird, um ihren Liebeshunger zu stillen. Manchmal sogar, heißt es, habe Zobeida sich an besonders muskulösen Sklaven gütlich getan … deren Leichen man dann in den Abzugsgräben der Alhambra finde …«
Cathérine schwankte zwischen Unruhe und Erleichterung. Einerseits, wenn Zobeida eine Art Messalina war, konnte man ihr die Beute vielleicht leichter entreißen … Andererseits jedoch, wer konnte wissen, ob nicht Arnaud ein ähnliches Schicksal erwartete? Warum mußte Fatima hinzufügen:
»Aber seit einigen Monaten regen sich die spitzen Zungen der Klatschweiber an den Brunnen und in den Karawansereien nicht mehr so auf. Zobeida hat nur noch einen Geliebten, einen gefangenen Franken, nach dem sie verrückt ist, und niemand tritt mehr durch die geheime Pforte, die zu ihren Gärten führt.«
»Hast du diesen Mann gesehen?« fragte Cathérine.
»Einmal. Er ist schön, kraftvoll, hochmütig und schweigsam. In gewisser Hinsicht ähnelt er Zobeida; er ist wie sie ein Raubtier, ein wildes Tier … Ah! Ihrer Liebe mangelt es sicherlich nicht an Heftigkeit und Leidenschaft, und ihre Liebkosungen …«
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